Aktuelles Album: Dalindèo – Kallio (BBE Records/!K7/Indigo)
Dalindèo ist ein finnisches Jazz Sextett, bestehend aus Bandleader, Komponist und Produzent Valtteri Laurell Pöyhönen, Bassist Pekka Lehti, Schlagzeuger Jaska Lukkarinen, Trompeter Jose Mäenpää, Saxofonist Petri Pope Puolitaival und Perkussionist Rasmus Pailos, welches aufmerksamen SOUL TRAIN-Lesern bereits ein Begriff sein wird (ST#24).
Losgelöst vom finnischen Jazz-Label Ricky Tick Records (der SOUL TRAIN berichtete). dem die Band ihre ersten großen Erfolge zu verdanken hatte, erscheint ihr neuer Longplayer „Kallio“ nun beim renommierten BBE Records-Label und geht damit nicht nur musikalisch einen wichtigen Schritt nach vorne in Sachen internationaler Anerkennung als immer besser, fulminanter, geschlossener agierende Zukunft des europäischen Jazz-Himmels mit retrospektivem Groove-Gedächtnis.
Einmal mehr beherrschen auch bei „Kallio“, in Finnland zu Recht bereits als „Album des Jahres“ mit dem Emma Award, der finnischen Variante des Grammys oder des Echos, ausgezeichnet, freischwingende Anspielungen auf Filmmusiken und die Ästhetik der Sechziger Jahre eine Rolle – Henry Mancini, Lalo Schifrin oder Hugo Montenegro hätten mit dem neuen Longplayer von Dalindèo ihre wahre Freude gehabt.
Die instrumentale, sehr bewegte, energetische, aber nie anstrengende Mixtur lebt auch durch ihre Anlehnungen an finnische Polka, finnischen Tango, späte Rock’n’Roll-Exzesse, Soul und Funk, Easy Listening und sogar an so etwas wie rückbesinnenden Balkan Beat und Klezmer, der hier gerade durch die eigene Jazz-Verliebtheit einen Vorwärtstrieb bekommen, der einem die Schuhsohlen schmelzen lässt: „Kallio“ ist umwerfend charakterstark und unverschämt charmant!
All diese Musikvermischung ergibt am Ende sogar so etwas wie ein Soul-Gefühl, welches Dalindèo, die sich bereits 2003 in ihrer Heimat gründeten, nicht nur als finnische Jazz-Institution sondern auch als globalen Ideen-Pool frei im Swing-Raum pendelnd stehen lässt ohne den erhobenen Zeigefinger hervorzuquälen – so sollte es sein.
Dalindèo-Mastermind Valtteri Laurell Pöyhönen ließ es sich nicht nehmen, stellvertretend für die gesamte Formation die Fragen des SOUL TRAIN zum kompakten, genialen, verspielten und auch mal augenzwinkernden, musikalisch absolut auf der Höhe des machbaren befindlichen „Kallio“ zu beantworten…
Michael Arens: „Die dringlichste Frage zu Beginn: Wie zur Hölle nennst Du euren eigenwilligen, aber stets extrem gefälligen Stilmix?“
Valtteri Laurell Pöyhönen: „Mittlerweile nenne ich es, den Sound, den Ansatz, den Charakter und das Gefühl der Musik von „Kallio“ Surf-Jazz mit finnischem Tango und Melancholie.“
Michael Arens: „Wow. Klingt tatsächlich so wie die Musik von „Kallio“. Welchen Anteil daran hat die Tatsache, dass ihr aus Finnland kommt, dem Land von Aki und Mika Kaurismäki (der SOUL TRAIN berichtete), langen Wintern und finnischem Tango?“
Valtteri Laurell Pöyhönen: „Als finnischer Komponist bedeutet das erst einmal, dass ich vornehmlich in Moll schreibe. Es ist ok, eine Weile in Dur zu bleiben, wie beim Refrain von „Evening At Tokoi-Beach“, aber nur, um dann möglichst schnell wieder in Moll zu landen. Ich denke, dass bestimmte finnische Soulfulness, ein finnisches Verlangen und die finnische Ernsthaftigkeit im Spiel und im Gefühl Dalindèos zu hören sind. Aber wir haben auch gelernt, loszulassen, und uns selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Das alles hat wohl dazu geführt, dass „Kallio“ recht offen und inspirierend geworden ist. Wir Finnen sind ja nicht gerade bekannt für Humor, aber es gibt ihn!“
Michael Arens: „Auch der Albumtitel „Kallio“ bezieht sich auf eure finnische Herkunft…“
Valtteri Laurell Pöyhönen: „Ich hatte bereits seit Jahren die Idee, ein Jazz-Album über den Kallio-Stadtteil in Helsinki zu schreiben (mehr dazu auch im beim CD-Album mitgelieferten Booklet, Anm. d. Verf.). Als ich dann für einen Dalindèo-Gig einige neue Songs brauchte, schrieb ich eben diese dafür und einige davon endeten schließlich auf dem Album. Das Live-Publikum mochte die Songs, die durchweg härter und Gitarrengetriebener waren als bisher.“
Michael Arens: „Wie funktioniert Dalindèo als Band?“
Valtteri Laurell Pöyhönen: „Wir haben unseren ersten Gig im Dezember 2003 gespielt, seit 2004 ist unser Line Up unverändert – wir hatten also ausreichend Zeit, uns genau kennen zu lernen. Alle Musiker von Dalindèo sind stilistisch wirklich sehr unterschiedlich gelagert, jeder von uns ist zugleich auch in andere Musik involviert. Unser Trompeter Jose Mäenpää hat beispielsweise eine sehr große Bandbreite an Sounds und Effekten, die er für sein Instrument bereithält. Das ist etwas, auf das die jungen Jazz Typen heutzutage eher weniger Wert legen; Jose ist ein wahrer Geschichtenerzähler… Alles in allem genießen wir unsere Zeit zusammen, sowohl auf der Bühne als auch im Studio. Musik und Freundschaft hat uns Zusammengeführt und das hat schließlich zu all dieser Interaktion geführt. Das ist übrigens auch etwas, dass wir stets als positives Feedback aus unseren Konzerten mitbekommen: dass wir auf der Bühne tatsächlich viel Spaß an unserem eigenen Spiel haben…“
Michael Arens: „…und im Studio. Das war bei „Kallio“ bestimmt genauso…“
Valtteri Laurell Pöyhönen:„Ja, da wir alle recht beschäftigt sind, brachte ich wie immer bereits fertige Tracks und Arrangements mit zu den Proben. Dieses mal haben wir allerdings nicht allzu lange geprobt, und genau das hat geholfen, die Tracks so frisch klingen zu lassen. „Kallio“ ist eine vollwertige Live-Aufnahme ohne echten Schnitt, aufgenommen in einem einzigen, großen Raum. Unser Sound-Engineer Janne Haavisto (bekannt unter anderem für seine Arbeit mit den finnischen Surf-Legenden Laika & The Cosmonauts) hatte eine großartige Idee für die Gitarre: Mein Gitarrenverstärker war offensichtlich im Raum, aber es gab noch einen Extra-Verstärker am anderen Ende des Raumes, der ebenfalls das Gitarrensignal herausplärrte, so dass die Gitarre am Ende im ganzen Raum präsent war und dadurch natürlich auch ein wenig auf und in jedem Mikro mitlief… Die einzigen Overdubs waren ein paar Extra-Gitarren, analoge Synthesizer und ein Organ-Sound, die ich spielte, die Säge, ein wenig Perkussion und das Vibraphon…“
Michael Arens: „Mich fasziniert die Geschwindigkeit und der unglaublich unterhaltsame Fluss von „Kallio“. Wie habt ihr das erreicht?“
Valtteri Laurell Pöyhönen: „Ich bin wirklich froh, das zu hören. Irgendwie waren die Einflüsse, die in dieses Album geflossen sind, so unterschiedlich, dass es sich am Ende tatsächlich nach etwas Modernem anhört, obwohl die Referenzen des Sounds klar in der Vergangenheit liegen. Das ist etwas, dass ich immer versuche: Musik für unsere Zeit zu machen. Ist mir egal, ob ich dabei zu sehr Retro bin, aber die wahre musikalische Beziehung und die musikalisch-handwerkliche Komponente der „guten alten Zeit“ ist etwas, dass nach meiner Meinung echt und wahrhaftig ist und der Musik Wärme bringt.“
Michael Arens: „Im SOUL TRAIN hatten wir ja bereits euer „Open Scenes“-Album im Fokus (ST24); „Soundtrack For The Sound Eye“ war ein weiteres eurer bisherigen Alben. Was ist der hauptsächliche Unterschied zwischen euren bisherigen Sets und „Kallio“?“
Valtteri Laurell Pöyhönen: „Der Hauptunterschied ist, das wir heute mehr rocken! Unser Debütalbum „Open Scenes“, welches seinerzeit von Tuomas Kallio (Five Corners Quintet, Nuspirit Helsinki – der SOUL TRAIN berichtete, Anm. d. Verf.) produziert wurde, war noch sehr von brasilianischer Musik beeinflusst und hatte ein recht loungiges Musikgefühl. Das zweite Set „Soundtrack For The Sound Eye“, welches ich produziert habe, war sehr orchestral und Filmmusikhaft, aber es hatte bereits Spuren von „Kallio“ in Tracks wie „Another Devil“. Mit „Kallio“ sind wir also nun mehr geradeheraus, so, wie wir auch live sind, und wir haben es geschafft, diese Energie auch auf das Album zu bringen, auch, wenn es manchmal etwas schwierig umzusetzen war.“
Michael Arens: „Du hast es erwähnt: Du hast „Kallio“ auch gleich selbst produziert, warst aber auch der Komponist und der musikalische Dreh- und Angelpunkt des Albums. Was macht das mit dem Sound, aber auch mit dem Charakter des Albums?“
Valtteri Laurell Pöyhönen: „Seit kurzem bin ich auch der künstlerische Direktor meiner anderen Band, der Ricky-Tick Big Band (der SOUL TRAIN berichtete, Anm. d. Verf.). Das stellt einen Zusammenhang mit Dalindèo her und lässt bemerken, dass sich ein und dieselbe Person federführend um den finalen Eindruck der Alben kümmert. Ich arbeite mit vielen großartigen Menschen zusammen und spreche permanent mit ihnen und bin immer offen für Vorschläge. Ich bin aber auch zu der Erkenntnis gelangt, dass es gerade in Zeiten, in denen man es sich nicht mehr leisten kann, einfach nur im Studio abzuhängen und neue Dinge auszuprobieren, am besten ist, eine klare Vision über einen Song oder ein Album zu haben und diese dann umzusetzen. Und um das zu erreichen muss ich einfach meinen Instinkten folgen und diesen vertrauen. Ich habe zugleich aber auch keine Illusionen darüber; ein Album ist immer auch das Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung einer Gruppe. Auch die Aufnahme selbst, das abmischen von Janne Haavisto und das Mastering von Didier Selin (von den finnischen Funk-Pionieren Soul Investigators – der SOUL TRAIN berichtete, Anm. d. Verf.) waren für den Sound von „Kallio“ eine Punktlandung. Und natürlich ist es ein Privileg, so lange mit der gleichen Gruppe Musiker zusammen zu arbeiten. Und das ist vermutlich auch die größte Stärke des Albums: es wurde exakt für diese Musiker komponiert, so dass ich mich auf die Stärken der einzelnen Musiker und auf den Sound des Albums gleichzeitig fokussieren konnte.“
Michael Arens: „Bei der Tracklist des Albums fällt mir auf, dass die finnischen Titel gleich mit einer englischen Übersetzung kommen…“
Valtteri Laurell Pöyhönen: „Es ist endlich an der Zeit, dass die Welt Finnisch lernt! Am Anfang scheint es ja etwas schwierig zu sein, aber man muss halt irgendwo anfangen…“
Michael Arens: „Du bist sehr leidenschaftlich beim Thema Musik. Was bedeutet dir persönlich Musik?“
Valtteri Laurell Pöyhönen:„Mein Leben ist so eng verwoben mit Musik für eine so lange Zeit… Ich lebe für und von Musik und drücke mich natürlich über Musik aus…“
Michael Arens: „Was sind deine bzw. eure Pläne?“
Valtteri Laurell Pöyhönen: „Wir machen gerade ein neues Album mit der 17-köpfigen Ricky-Tick Big Band und Julkinen Sana, zusammen mit den Rappern Paleface, Redrama und Tommy Lindgren…“
Michael Arens: „Eine Nachricht an die SOUL TRAIN-Leser?!“
Valtteri Laurell Pöyhönen:„Haltet eure Ohren immer offen für neue Musik! Und, natürlich, unterstützt die Künstler, die ihr genießt. Oft kommen die neuen, inspirierenden Sound nicht aus dem breiten Mainstream sondern von Künstlern, die sich dazu entscheiden, etwas zu machen, was nicht notwendiger Weise eine Menge Geld bringt…“
© Michael Arens
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VERLOSUNG!
Der SOUL TRAIN verlost 3 Exemplare von Dalindèo – „Kallio“ (CD)!
Einfach eine E-Mail mit dem Stichwort „Kallio“ an soul@(nospam)michaelarens.de – viel Glück!
Mehr Infos zu unseren Verlosungen gibt es hier: SOUL TRAIN-FAQ