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Götz Alsmann – Die Seele der Dramaturgie Götz Alsmann – Die Seele der Dramaturgie
Aktuelles Album: Götz Alsmann – In Rom (Blue Note Records/Universal Music) Heutzutage ist Götz Alsmann eine feste Größe, eine Institution, in der deutschen bzw.... Götz Alsmann – Die Seele der Dramaturgie

Aktuelles Album: Götz Alsmann – In Rom (Blue Note Records/Universal Music)

Heutzutage ist Götz Alsmann eine feste Größe, eine Institution, in der deutschen bzw. deutschsprachigen Musik- und Medienlandschaft und scheint, auch in und dank seiner unverkennbaren Optik, allgegenwärtig zu sein – der SOUL TRAIN berichtete immer wieder über Alsmann.

Seine seit mehr als drei Dekaden andauernde Präsenz in TV und Radio mit Formaten wie dem legendären „Zimmer frei“ mit Christine Westermann, das gleich 20 Jahre lang (1996-2016) jung und alt begeisterte, sowie späteren, teils immensen Erfolgen als Hörbuchstimme, lebt dabei nicht nur von seiner süffisanten und intelligenten, mit teils eigenwilligem Humor und gleichzeitigem immensem Charme unterlegten Wortgewandtheit, sondern auch von seinem Äußeren, das sich durch seine stets makellose Eleganz mit Anzug, Einstecktuch, Manschettenknöpfen und Co. (so wurde Alsmann unter anderem im Jahre 2000 zum „Brillenträger des Jahres“ und 2004 zum „Krawattenmann des Jahres“ gekürt) sowie seiner Haarpracht, die jener der Rock’n’Roll-Ära oder doch zumindest dem Glam-Zeitalter nachempfunden scheint, nachdrücklich definiert – großartige Akkuratesse und klare, stilvolle Eleganz mit unbedingtem Alleinstellungsmerkmal inklusive.

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Götz Alsmann in Rom (Photo © Fabio Lovino)

Der Münsteraner Musikwissenschaftler ist, TV, Radio und Entertainment hin oder her, jedoch seit seinen musikalischen Anfängen in den legendären Siebziger Jahren vor allen Dingen immer eines: ein vor kreativer Leidenschaft glühender Vollblutmusiker; als Pianist und Multiinstrumentalist, vor allen Dingen aber als Sänger streift Götz Alsmann seit je her durch alles, was den Stempel Jazz, Swing aber auch authentische Coolness im Rahmen des, im weitesten Sinne, Black Music-Kosmos mit Anmut trägt: Auf unzähligen Alben unter eigenem Namen, als Gastsolist oder als übertragenes und tatsächliches Organ eines der vielen von ihm stimmlich bebilderten Bandprojekte sowie diverser Hörbücher zeigt Alsmann so und mit teils riesigem Erfolg, woran ihm liegt.

Dass ihn all das selbstredend immer wieder in den ihm angestammten Jazz zurückpendeln lässt, war und ist ein Glücksgriff, dem Götz Alsmann selbst mit seiner Städte-Trilogie seit einigen Jahren selbst die Krone aufsetzt: 2011 erschien „In Paris“, eine Zusammenarbeit mit seiner Band, welche die großen Klassikers des Chansons in Form einer echten, der Begriff ist bewusst gewählt, Jazz-Platte mit deutschen Texten zelebrierte.

Flankiert und gefolgt wurde dies mit der 2014 herausgebrachten „Am Broadway“-Veröffentlichung, die sich die unvergessenen Klassiker des so genannten, im SOUL TRAIN immens beliebten Great American Songbook zur Brust nahm.

Nun, drei Jahre später, erscheint mit „In Rom“, einmal mehr über das legendäre Blue Note Records-Label (in Deutschland erhältlich über Universal Music) erhältlich, eine ganz ähnlich gelagerte Hommage an eine weitere Traumstadt der auch deutschen Unterhaltungsmusikbefindlichkeiten, eben „Die beliebtesten italienischen Lieder in deutscher Sprache“, wie es auf einem Sticker in den Farben der italienischen Flagge auf der aktuellen CD prangt.

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Götz Alsmann in Rom (Photo © Fabio Lovino)

Der dritte und letzte Teil der Trilogie zeigt zugleich den schieren Zauber eben einer Trilogie. Was es theoretisch bedeutet hätte, einen weiteren Teil mit einem Fokus auf eine vierte Stadt ins Rennen zu schicken verrät Götz Alsmann dem SOUL TRAIN in diesem exklusiven Interview.

Gemeinsam mit seiner Band, Schlagzeuger und Perkussionist Rudi Marhold, Kontrabassist Ingo Senst, Vibraphonist, Perkussionist, Klarinettist und Trompeter Altfrid M. Sicking sowie nicht zuletzt Perkussionist Markus Paßlick, schafft Götz Alsmann es auf „In Rom“, vermeintlichen „Gassenhauern“ – Schlagern“ – wie „Azzurro“, „Carina“, „Volare (Nel Blu Dipinto Di Blu)“, „Ciao, Ciao Bambina“, „Caprifischer“, „Mambo Italiano“ oder „Marina“, neues, überaus edles, aber nie überproduziertes Leben einzuhauchen und zeigt auf, dass gerade all jene Lieder, die immer wieder auch als Zeitzeuge des Wirtschaftswunders in Deutschland fungierten und Sehnsüchte Richtung Mittelmeer weckten, gerade als unglaublich warmes Jazz-Quintett einwandfrei funktionieren und nichts von ihrer Magie eingebüsst haben.

So ist „In Rom“ ein Füllhorn an zeitgenössischer und zugleich retrospektiver Jazz-Magie, das auf Harmonie und Melodie ebenso setzt wie auf feinstes Musikerhandwerk, der Gesang, das Spiel am Klavier, am Akkordeon, der Orgel, dem Banjo und der Ukulele sowie an der Hawaiigitarre und der Mandoline von Götz Alsmann persönlich inklusive – hinreißend.

Ganz dem charmanten Habitus der Musik des vom Routinier und Vollblutmusiker sowie Zeitgeistler Régis Ceccarelli (der SOUL TRAIN berichtete) produzierten Albums (die musikalische Leitung sowie die Arrangements übernahm dabei selbstredend, wer hätte es gedacht, Götz Alsmann persönlich) folgend erscheint „In Rom“ gleich auf einer Vielzahl an Formaten: neben den Standards CD, Download und eleganter 180 Gramm-Doppel-Vinyl auch als CD/DVD-Ausgabe mit einem Making Of zum Album und einer exklusiven Fotogalerie, aufgenommen von Fabio Lovino, der auch die in diesem Interview verwendeten Aufnahmen bereitstellte.

Die der SOUL TRAIN-Redaktion vorliegende CD-Variante beinhaltet zusätzlich ein sehr edles, inhaltliches prall gefülltes Booklet inklusive Stimmungsschürender Fotostrecke sowie einem Begleittext aus der Feder von Maestro Götz „Geoffredo“ Alsmann persönlich sowie, es ist immer nett, die Belegschaft auch per Foto identifizieren zu können, ausdrucksstarke Fotos seiner fulminant aber eben auch zurückhaltend aufspielenden Bandmitglieder, ohne die „In Rom“ so sicherlich nicht klingen würde.

Lobenswert, dass sich Jazz-Superstar Götz Alsmann aus dem schönen Münster in Westfalen für den SOUL TRAIN die Zeit nahm, alle offenen Fragen zum neuen Album sowie zu seiner Person in aller Ruhe und mit seiner üblichen, spitzbübischen Süffisanz zu beantworten. Bitte sehr, Herr Alsmann!

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Götz Alsmann in Rom (Photo © Fabio Lovino)

Michael Arens: „Guten Tag Herr Alsmann.“

Götz Alsmann: „Guten Tag.“

Michael Arens: „Es ist heutzutage und gerade in der Musik- und Entertainmentbranche ja weit verbreitet, sich zu duzen. Bei Ihnen fällt es mir aber gar nicht schwer, beim „Sie“ zu bleiben, da ich ihre Historie und damit ihre starke Persönlichkeit bereits seit den frühen Achtziger Jahren mit großer Aufmerksamkeit verfolge. Ist das ein seltsamer Umstand?“

Götz Alsmann: „Nein, gar nicht. Das zeigt ja nur, dass wir alle etwas erwachsener geworden sind.“

Michael Arens: „Eine allzu offensichtliche, aber nicht weniger faszinierende Frage zu Anfang: Im SOUL TRAIN @ soultrainonline.de behandeln wir natürlich alle Spielarten der so genanten schwarzen Musik mit Soul, Funk, Jazz usw., also der Black Music-Familie, mit Soul als Muttergenre. Im Kern steht aber, wie schon beim Namen, der Soul-Begriff. Warum sollten ausgerechnet unsere Leser dieses Interview mit Götz Alsmann lesen?“

Götz Alsmann: „Also erstmal ist es ja so, dass das Album im Kern ja schon ein Jazz-Album ist. Diese Songs sind ja im Grunde genommen das Material, aus dem wir was machen. Sie können ja aus allem Jazz machen, und ich denke, bei allen Mandolinen, die da mitschwirren und bei aller Canzonen- und Balladendramatik ist es de Facto das Album eines Jazz-Quintetts. Nicht mal George Shearing (der SOUL TRAIN berichtete, Anm. d. Verf.) hat „Carina“ oder „Il Nostro Concerto“ gespielt, also einer musste es tun…“ (lacht)

Michael Arens: „Trotz aller Aktivitäten für TV, Buch, Kino und Co. liegt ihre Seele in der Musik…“

Götz Alsmann: „Ja, das weiß ja jeder…“

Michael Arens: „Wird sich daran noch einmal was ändern?“

Götz Alsmann: „Ich fürchte nicht…“ (lacht)

Michael Arens: „Dann also ans Thema – ihr neues Album: Ich habe mir gerade zum wiederholten male „In Rom“ angehört, ein wirklich wunderbares Album. In ihrem in den sozialen Medien verbreiteten Video dazu, der ersten Folge der so genannten „Ein würdiger Trilogie-Abschluss“-Webisodes, erzählen Sie, dass Sie sich ein halbes Jahr praktisch nur italienische Lieder angehört haben. Nun haben 18 Songs den Weg auf das Album gefunden. Wie schwer war es, genau diese Songs auszuwählen?“

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Aktuelles Album: Götz Alsmann – In Rom (Blue Note Records/Universal Music)

Götz Alsmann: „Das war sehr schwer. Eigentlich habe ich bei meinen Alben bisher, sei es bei „In Paris“ oder „Am Broadway“, hier und da noch versucht, eine etwas abseitige Entdeckung mit ins Programm zu nehmen. Aber hier war es so, dass die „muss unbedingt rein“-Liste so groß war, dass da kaum Platz war für abseitige Entdeckungen. Man denkt sich, „ok, wir machen ein paar von den Hits, „Volare“ muss natürlich mit rein, „Ciao, Ciao Bambina“ muss rein“… und plötzlich musste das alles mit rein. (lacht) Das war natürlich so, dass man sich als Inspiration viele verschiedene Versionen angehört hat, die es halt schon gibt von diesen Klassikern. Aber, unterm Strich: Wenn man sich hinsetzt und versucht, ein paar neue Noten dazu zu schreiben, neigt man dazu, all diese Versionen schnell wieder zu vergessen.“

Michael Arens: „Und wie entsteht dann die Reihenfolge der Songs, für die Charakterbildung eines anspruchsvollen, aussagekräftigen Albums wie „In Rom“ ja ein sehr wichtiger Punkt…“

Götz Alsmann: „An der Reihenfolge bastle ich dann immer eigentlich erst Monate nach Fertigstellung der Aufnahmen. Also wir haben den Mix Anfang Juli gemacht, in Paris, und dann haben wir eigentlich erst angefangen, an der Reihenfolge zu arbeiten. Es gab zwar schon eine Live-Reihenfolge, aber Live- und Album-Reihenfolgen haben in der Regel nichts miteinander zu tun, die folgen unterschiedlichen Dramaturgien. Das hat mich einen Nachmittag des Herumprobierens gekostet…“

Michael Arens: „Die Aufnahmen zu „In Rom“ fanden ja im legendären Forum Music Village-Studio von Ennio Morricone (der SOUL TRAIN berichtete unzählige male, Anm. d. Verf.) in Rom statt. Das kann bei dieser musikalischen Qualität nicht nur Spaß gewesen sein sondern war sicher auch anstrengend!“

Götz Alsmann: „Auch Anstrengung kann Spaß machen! (lacht) Es gibt ja auch Jogger, die berichten von Endorphin-Ausschüttungen beim Joggen. Ich war schon oft joggen, aber bei mir ist noch nie ein winziges Endorphinchen ausgeschüttet worden. Andererseits hat dieser Stress im Studio was positives und das liegt nicht zuletzt daran, dass wir halt live aufnehmen. “

Michael Arens: „Das ergibt Sinn. Wie schwierig war es, für diese ganzen Songs angemessene Arrangements zu finden bzw. zu schreiben, gerade bei den, im liebgewonnensten Sinne des Wortes, Gassenhauern, und natürlich insbesondere bei den Instrumentalen wie etwa „Marina“?“

Götz Alsmann: „Ach, „Marina“ war ja eigentlich ein guter Witz, würde ich mal sagen. Ich hielt das Lied nie für mehr als einen guten Witz. Also habe ich gedacht: „gut, dann setze ich jetzt noch ’ne Schippe oben drauf!“ Aber jedem, dem ich von dem Projekt erzählt habe hat gemeint, dass „Marina“ doch sicher auch dabei ist, und ich war geneigt, „nein, auf keinen Fall“ zu sagen. Doch dann habe ich mir überlegt, dass ich, na gut, keinen enttäuschen will, aber dann mache ich halt auch was daraus, was außer uns kein anderer machen würde.“

Michael Arens: „Aber wie funktioniert das alles technisch gesehen, und da sprechen wir vermutlich ja nun von der gesamten Trilogie, von „In Paris“ über „Am Broadway“ bis zu „In Rom“ – anderssprachige Texte auf Englisch, Französisch, Italienisch… Wie werden diese dann so umgeschrieben, umgebaut, dass das Arrangement im Studio funktioniert?“

Götz Alsmann: „Also die Arrangements die gibt es ja schon. Die Arrangements werden ja vorher von mir am Schreibtisch in Noten festgelegt. Ich schreibe ja auf alte Art und Weise Arrangements. Jeder kriegt sein Notenblatt am ersten Probentag und dann wird geprobt, gefeilt, gemacht, es werden Verbesserungen vorgenommen… Man geht dann mit den Noten wieder nach Hause, hat sich Notizen gemacht während der Probe, schmeißt das dann eventuell auch mal wieder ganz weg und schreibt ein neues Arrangement. Also es sind Stücke dabei, die haben beim ersten mal ganz fantastisch funktioniert und es sind Stücke dabei, da müssen sie sich fünf mal hinsetzen und wieder ganz von vorne anfangen. Es ist aber nicht so, dass man ohne ein Plan ins Studio geht und überlegt: „was passiert denn jetzt?!“ So geht das nicht., das ist nichts für mich. Wir sind ja bereits einstudiert nach Rom gefahren, denn wir hatten ja auch nur fünf Tage Zeit…“

Michael Arens: „Wie wichtig genau war und ist dabei die Rolle Ihrer Mitmusiker? Immerhin ist das Album ja nicht als Götz Alsmann Band veröffentlicht worden, sondern unter ihrem Namen, als „nur“ Götz Alsmann. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit, damit meine ich nicht nur musikalisch, sondern insbesondere auch ideell?“

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Götz Alsmann in Rom (Photo © Fabio Lovino)

Götz Alsmann: „Na ja, ich schreibe diese Noten ja auch schon für diese Musiker. Wäre diese Band anders zusammengesetzt mit anderen Persönlichkeiten und anderen Instrumenten wären die Arrangements sicher anders ausgefallen. Aber ich weiß ja genau, wie die Abteilung Trommeln und Perkussion arbeitet, ich weiß, wie unser Solist spielt, der Vibraphon und Blasinstrumente spielt… Das alles ist ja den Musikern auf den Leib geschrieben. Also um mal ganz hoch zu greifen ist das ähnlich wie bei Duke Ellington (einmal mehr: der SOUL TRAIN berichtete immer wieder, Anm. d. Verf.), vielleicht nicht ganz in der Qualität, aber Ellington hat auch über viele Jahre immer die gleichen Solisten in seiner Band gehabt und er hat für diese Leute seine Stücke und seine Arrangements geschrieben. Es ist natürlich auch so, dass bei der Probe Schlagzeuger, Bassist, Vibraphonist die Dinge aus einem anderen Blickwinkel sehen und sagen, dass man dies und das auch so oder so machen könnte, na klar. Aber wir gehen nicht planlos ins Studio, jammen rum und fertig ist das Ding, so ist das nicht.“

Michael Arens: „Selbstverständlich nicht, und das hört man natürlich auch. Gerade das ist ja das Schöne an „In Rom“ und an ihrer Musik überhaupt, Herr Alsmann, dass ihre Musik absolut akkurat gemacht ist, zugleich aber voller Leben ist. Ihre Musik wirkt also so gar nicht steril sondern ganz im Gegenteil, leicht.“

Götz Alsmann: „Danke schön, das hört man natürlich gerne als Musiker.“

Michael Arens: „Ja, ich glaube, ich kann das sagen, immerhin verfolge ich ihre Karriere, insbesondere die als Musiker bereits seit den frühen Achtziger Jahren…“

Götz Alsmann: „Hm – Donnerwetter. Also bei aller Konzentration liegt das wohl an meiner entspannten Grundherangehensweise. Anders kann ich mir das nicht vorstellen. Also wenn das jetzt wirklich erzwungen wäre, wenn die Musiker so ein übliches „Mietmusiker“-gebaren an den Tag legen würden, dann würde das vermutlich so nicht funktionieren.“

Michael Arens: „Und wie genau passt dieses legendäre, auf ihren Stil und den Stil von „In Rom“ absolut perfekt passende, legendäre Blue Note Records-Label zur gesamten Erscheinung des Albums und überhaupt der ganzen Städte-Trilogie?“

Götz Alsmann (stöhnt und lacht etwas mehrdeutig): „Na ja, wir sind ja jetzt schon über zehn Jahre bei Blue Note Records. Das war damals eine tolle Chance, dort zu veröffentlichen. Jeder hat davon geträumt und viele, sagen wir mal deutlich seriösere Jazz-Musiker waren fassungslos. Gerade hier in Deutschland ist noch immer viel dieses „warum der und ich nicht?!“ an der Tagesordnung. Das mag damals vielen unpassend erschienen sein. Andererseits hat Blue Note ja auch, und das wird gerne vergessen, eine starke Tradition in Sachen Jazz-Komik. Vokal-Platten mit leichtem Unterhaltungsmusikunterton, die werden heute halt nur gerne übersehen von den „Touristen“. Aber ein Jazz-Komiker wie Babs Gonzales (und wieder: der SOUL TRAIN berichtete, Anm. d. Verf.) hat schon früh seine entscheidenden Platten auf Blue Note veröffentlicht und da sehe ich mich in einer guten Tradition…“

Michael Arens: „Aber es addiert schon zur Magie der Veröffentlichung?!“

Götz Alsmann: „Na ja, klar. Es ist für einen Musiker halt nicht unerheblich, auf welchem Label seine Sachen erscheinen, natürlich.“

Michael Arens: „Wo wir gerade bei Stil und Traditionen sind: Sie sind ja selbst auch so etwas wie eine Stilikone mit einem eindeutigen Image. Spielt das eine tatsächliche Rolle bei Götz Alsmann, dem Musiker, oder würden sie ein Album wie „In Rom“ eben ganz genau so komponieren, spielen, aufnehmen in Jeans und T-Shirt?“

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Götz Alsmann in Rom (Photo © Fabio Lovino)

Götz Alsmann (nach einer gefühlt gar nicht so kurzen Denkpause): „Na ja… Ob die Finger sich beim Klavierspiel anders bewegen würden bezweifle ich. Aber es gibt ja auch ein Grundgefühl. Wenn Sie die Videos (zum Album) gesehen haben, haben wir ja auch immer versucht, einigermaßen angemessen gekleidet ins Studio zu gehen. Diese Trilogie ist ja der Höhepunkt unseres Musikerlebens. Wir… nein, ich zumindest habe ein gutes Körpergefühl in einem Anzug. Wenn ich mir einen Blaumann anziehe, um im Garten zu arbeiten habe ich auch ein gutes Körpergefühl, aber dann mache ich halt was im Garten. Dieses Besondere, diese Zeit im Studio, ist ja ein einziger Feiertag. Das sind ja Erlebnisse, von denen man noch lange spricht und an die man ein Leben lang denkt. Vermutlich denke ich daran mit meinem letzten Atemzug! (lacht) Aber ich weiß, dass bei mir eine gewisse äußere Form das Empfinden sehr stark heben kann!“

Michael Arens: „“In Rom“ behandelt italienische Lieder, die sie auf Deutsch interpretiert haben. Dabei ist ihre Karriere auf Deutsch aber auch auf Englisch beeindruckend, und da lasse ich das TV, die Hörbücher und Bücher, das Kino und vieles andere erst einmal ganz außen vor und meine die Musik. Wird es denn (noch einmal) einen Götz Alsmann auf Englisch oder gar auf Spanisch, Französisch, Italienisch geben?“

Götz Alsmann: „Nein, nicht mehr, denke ich. Auf Englisch gab’s mich ja damals zu hauf, wie bei allen in unserer Sparte. Also nie mehr weiß ich nicht, aber ich sehe das momentan ehrlich gesagt nicht.“

Michael Arens: „Und warum?“

Götz Alsmann: „Weil ich irgendwann so ein Saulus/Paulus-Erlebnis hatte. Es ist eben unschlagbar, in der Sprache zu singen, in der man träumt und Witze erzählt. Selbst Texte, die von überschaubarer Qualität sind, wirken ja doch, wenn man sie singt, unter Umständen anders. Wir wollen ehrlich sein: Auch Beatles-Texte überschreiten zu 2/3 nicht das Niveau von Pennälerlyrik, bei aller Wertschätzung für die Beatles (ein letztes mal: der SOUL TRAIN berichtete unzählige male über die Pilzköpfe, Anm. d. Verf.), aber das ist halt so. Manches bekommt eben, wenn sie es singen, doch noch mal einen ganz anderen Dreh. Manche Zeilen, die gedruckt oder geschrieben ganz komisch aussehen, treffen gesungen im Idealfall ins Herz.“

Michael Arens: „“Nun ist ja „In Rom“ leider das Ende der Trilogie, die uns von Paris („In Paris“, Blue Note Records/Universal Music, 2011, Anm. d. Verf.) über den New Yorker Broadway (Am Broadway“, Blue Note Records/Universal Music, 2014, Anm. d. Verf.) bis in die italienische Hauptstadt geführt hat. Was ist mit London, Rio, Havanna, Wien oder Berlin, oder sogar ihre Heimatstadt Münster oder der Ruhrpott, Heimat des SOUL TRAIN?

Götz Alsmann: „Wien war ja in der Tat eine Zeitlang im Gespräch, aber wir haben dann davon abgesehen. Also erstmal müssen es ja Städte sein, die der Unterhaltungsmusik wirklich viel geschenkt haben, über lange Zeit. Das ist im Falle Londons schon eher schwierig, denn da assoziiert man doch eher das Swinging London der Sechziger Jahre, und das ist schon irgendwie eine andere Baustelle. Bei Wien ist es dann auch noch so, dass die Texte ja sowieso schon in deutscher Sprache sind. Der eigentliche Zauber dieser Reihe ist ja, dass man „La Mer“, „Day By Day“ oder „Carina“ auf Deutsch hört und in vielen Fällen sogar erstmalig auf Deutsch hört.“

Michael Arens: „Obwohl Musik, ihre Musik, die Musik von „In Rom“ im Besonderen, ja etwas unterhaltsames, positives ist, kann ich mich meiner Verantwortung nicht entziehen und muss ihnen zum Abschluss eine ernsthaftere Frage stellen: Wir erleben weltweit gerade schlimme Zeiten mit Flüchtlingskrisen, der globalen Erderwärmung, dem Terrorismus, unzähligen, weltweiten Kriegen und Krisen… die Liste ist, leider, sehr, sehr lang, gefühlt sogar so lang und so schrecklich wie fast nie zuvor. Welchen Einfluss hat all das auf Musik und damit, im weitesten Sinne, auf Entertainment bzw. Unterhaltung?“

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Aktuelles Album: Götz Alsmann – In Rom (Blue Note Records/Universal Music)

Götz Alsmann: „Ich befürchte, und das ist das Makabere an solchen Themen, dass es Musik und Entertainment eher befeuert. Ich glaube, dass der Drang nach Zerstreuung einfach viel größer ist. Im übrigen glaube ich auch, dass eigentlich gar nicht viel MEHR Schlimmes passiert als immer, wir werden nur von den Medien viel schneller, direkter, geradezu in Echtzeit da ran geführt. Ich weiß nicht, ob Sie diesen alten Roman „Fabian“ von Erich Kästner kennen, der spielt in den zwanziger Jahren. Da gibt es die Situation, dass jemand Journalist ist, und dass vorne auf der Titelseite (der Tageszeitung) noch so zehn Quadratzentimeter, die noch irgendwie gefüllt werden müssen, leer sind, und da setzt sich der Chef hin und sagt: „Erdbeben in Indien – 200 Tote!“ Einfach so ausgedacht, nicht nachprüfbar. Ich will damit sagen, dass diese sofortige Versorgung von Katastrophen durch die Medien hat einen solchen Sättigungsgrad erreicht hat, der dann viele sagen lässt, dass es das früher nicht gegeben hat, aber das stimmt ja nicht. Wir hatten die Boat People im Vietnam, der Siebziger Jahre, all die Bürgerkriege, Katastrophen, Revolutionen in Lateinamerika in den fünfziger und sechziger Jahren, die quasi im Viertelstunden-Takt stattgefunden haben, und keine ist unblutig abgegangen… all diese schrecklichen Dinge, der Ungarn-Aufstand 1956, was immer sie wollen, der Mauer-Bau, die Kuba-Krise… Aber man hat das Abends in den Nachrichten um 20:15 Uhr gesehen, und dann war es gut. Viele hatten noch nicht einmal einen Fernseher und haben es dann am nächsten Morgen in der Zeitung gelesen. Es hat nicht Besitz von unserem Alltag ergriffen, so wie das heute der Fall ist. Ich glaube also nicht,, dass es mehr Katastrophen sind. Die finden nur mehr in unseren Wohnzimmern statt.“

Michael Arens: „Dann schließen wir dieses Interview mit ihrer Botschaft an unsere Leser, bezugnehmend auf ihr neues Album „In Rom“, ab…“

Götz Alsmann: „Ich würde allen empfehlen, vor allen Dingen allen Skeptikern empfehlen, sich doch einfach mal eine viertel Stunde zu gönnen und in das Album reinzuhören. Es mag nicht Jedermanns Sache sein, aber vielleicht gibt es auch noch Dinge zu entdecken. Vor allen Dingen gibt es diese großartigen italienischen Melodien zu entdecken. Das ist ja Kernstück. Da, wo französischer Chanson noch so vor sich hergrummelt und poetisch wird ist das italienische Lied mit seiner Volksliedhaftigkeit und seiner positiven Weltsicht einfach erfrischend und eignet sich sogar, einen swingenden Rhythmus drunter zu legen; wir waren ja nicht die ersten, die das gemacht haben in der Musikgeschichte…“

Michael Arens: „Das stimmt. Ich habe mich schon oft gefragt, wo diese entspannte Melodieführung bei italienischer Musik eigentlich herkommt.“

Götz Alsmann: „Tja, ich glaube, das kommt, ähnlich wie in Frankreich, aus einer ungebrochenen Freude an einer eigenen Musiktradition, die ja hier dramatisch abhanden gekommen ist. Es ist ja auch so, das habe ich schon oft in der Öffentlichkeit gesagt, dass bei uns der Generationenkonflikt in den sechziger Jahren in Wirklichkeit nicht über die Musik ausgetragen wurde, sondern über die Sprache, denn es gab ja beispielsweise auch deutsch gesungene Beat-Musik, die wurde aber unter Schlager abgebucht. In Frankreich und Italien gab es (dagegen) eben französische, italienische Beat-Musik, die im Grunde genau so einen Effekt hatte wie bei uns die Englische. Bei uns grenzte man sich weniger ab durch die Electro-Gitarre als solches, sondern einfach durch das Singen in englischer Sprache. Das ist so in den anderen Ländern nicht passiert. Deshalb gibt es dort auch weniger Vorverurteilung gegenüber der Muttersprachlichen Unterhaltungsmusik.“

Michael Arens: „Danke, Herr Alsmann.“

Götz Alsmann: „Alles Gute!“

Interview © Michael Arens / Photos © Fabio Lovino

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