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Aktuelles Album: Ty – A Work Of Heart (Jazz re:freshed/Groove Attack) Nicht nur böse Zungen behaupten, dass der beste Hip Hop eben nicht aus... Ty – Brixton Soul Evolution

Aktuelles Album: Ty – A Work Of Heart (Jazz re:freshed/Groove Attack)

Nicht nur böse Zungen behaupten, dass der beste Hip Hop eben nicht aus dessen Geburtsland USA, sondern aus dem altehrwürdigen England kommt; Ben Chijioke alias Ty aus Brixton ist seit seinem Einstand ins Hip Hop-Business Mitte der Neunziger Jahre als Rapper, Produzent, Songschreiber und Strippenzieher mit Produktionen und Kollaborationen mit IG Culture (Dodge City Productions – der SOUL TRAIN berichtete) und dessen One Drop Interouter-Label, spätestens aber und damit auch einer breiteren Masse seit seinem ersten Album „Awkward“ 2001 eine der tragenden Säulen dieser Theorie, über die sich sicher und gerne streiten lässt – der SOUL TRAIN berichtete unzählige male über Ty.

Ty

In weiteren drei Alben, „Upwards“ (2004), „Closer“ (2006) sowie „Special Kind Of Fool“ (2010) und unzähligen weiteren Veröffentlichungen, Projekten, Kooperationen und Live-Gigs mit „Leidensgenossen“ des zeitgenössischen, britischen aber auch internationalen Sprechgesangs etablierte Ty zügig seine eindeutige Zugehörigkeit zum Genre des intelligenten Hip Hops mit Jazz-Attitüde, Soul-Flow, introvertierter Beatbastelei, verspielten Rückwärtsloops und gleichzeitigen breitentauglichen Themen, die neben der großen Black Music-Oper Liebe auch zeitgenössische Bereiche inkludiert.

In einer Hip Hop- und Black/Urban Music-Meisterklasse mit, USA hin, UK her, Q-Tip und A Tribe Called Quest, The Roots, Common, Talib Kweli, Vikter Duplaix, Mos Def, Musiq Soulchild, Roots Manuva, Slakah The Beatchild oder, gehen wir etwas weiter in die Vergangenheit, dem Geist von Digital Underground, den Digable Planets, von De La Soul, den Jungle Brothers oder 3rd Bass, Gang Starr mit dem unvergessenen Guru und Group Home oder von Stetsasonic (der SOUL TRAIN berichtete immer wieder über alle genannten), um nur einige ganz wenige zu nennen, verwurzelt, sieht sich Ty auf seinem neuen, insgesamt fünften Album mit dem richtungsweisenden Titel „A Work Of Heart“ dem Hip Hop des Jahres 2018 gegenüber – eine Klangfarbe, die er selbst aus den mittlerweile vier Dekaden seit den Anfängen des Sprechgesanges im Herzen von New York City in eine Form gegossen hat, und die viel mehr ein waschechtes, handgemachtes Musikeralbum, denn ein Ansammlung von Beats und markigem Sprechgesang ist.

Im exklusiven SOUL TRAIN-Interview bestätigt Ty diesen Eindruck: „Ja, es war allerdings nicht die Absicht, unbedingt ein Musiker-Album zu machen, sondern viel mehr um Hip Hop-Musikern Respekt zu zollen, eine Art Hip Hop-Musiker-Ernsthaftigkeit aufzuzeigen, und nicht nur einfach drauflos zu rappen, B-Boy-Style, nein, nein: Die richtige Stimme, den richtigen Song, die richtigen Gäste. Das Geheimnis der Platte ist dabei, dass jeder, der beim Album mitmacht, genauso wichtig ist wie jeder andere. Die Rapper sind nicht wichtiger als die Musiker, und umgekehrt.“

Ty – Brixton Soul Evolution

Wohl auch wegen diesem Konzept ist Tys „A Work Of Heart“ fraglos das musikalisch anspruchvollste, komplexeste des Mannes, dem der schiere Wiedererkennungswert seiner Stimme durchaus bewusst ist und der selbstredend alle beeinflussenden Black/Urban Music-Genres, ob Hip Hop oder Soul und Funk, Jazz und cineastische Klangwelten oder Spitzen aus Reggae, Rock oder Pop und elektronisch getriebene Musik in seinem Sound, aber auch in seiner Seele berücksichtigt – inhaltlich ist das Album ein Füllhorn an intelligenter, smarter Hip Hop-Komplexität, die zugleich gleitet und glüht und sogar nachdenklich macht – der Albumtitel spricht dabei recht offensichtlich und als kleines Wortspiel gehalten Bände, wie Ty bestätigt: „Ich bin froh, dass dir das klar ist, aber es wird eben nicht allen sofort klar sein. Ich bin ein Rapper und ich lebe in Großbritannien und werde oft ganz schnell in einen Topf mit allen anderen geworfen, so „ok, er ist ein Rapper wie all die anderen, sind doch alle gleich…“ Das Album heißt also „A Work Of Heart“ weil tatsächlich die Arbeit eines jeden Beteiligten eine echte Museumsarbeit ist. Oft ist es beim Hip Hop ja so, dass wir nicht wirklich unsere Arbeit zu schätzen wissen, so, wie es etwa bei Beethoven der Fall wäre. Und genau das wollte ich tun. Vom Album-Cover zu den Videos, der Art, wie die Songs abgemischt wurden bis zu den Musikern und der entsprechenden Aufmerksamkeit, die den Details geschenkt wurde – all das war harte Arbeit, denn die Dinge liefen für mich eigentlich nicht besonders gut. Dieses Album zu machen, bedeutete für mich also, dass ich nicht aufgeben werde. Wenn ich morgen sterbe, möchte ich der Welt noch diese Platte geben, sozusagen!“

Ob es vielleicht deswegen auch fast acht Jahre gedauert hat, bis Ty unter eigenem Namen ein neues Album veröffentlicht hat, möchte ich vom charismatischen Rapper mit dem Herz auf dem rechten Fleck wissen – die Antwort kommt prompt: „Nein, nein, das hat damit nichts zu tun. Das hat so lange gedauert, da Dinge einfach nicht zusammengekommen sind. Es war nicht hart, die Musik selbst zu machen, das hat sogar Spaß gemacht. Es war hart, ein Zuhause, ein Label für die Platte zu finden, die richtigen Menschen zu finden, mit denen man sich dafür vernetzen musste… Seit ich 2006 das Ninja Tune-Label (der SOUL TRAIN berichtete, Anm. d. Verf.) verlassen habe, hatte ich nicht gerade ein großartiges Verhältnis zu Budgets, und war damit schlichtweg nicht in der Lage, die richtigen Leute einzuspannen, um Dinge loszutreten. Ich hatte also meine Probleme…“

„Nicht, dass man mich jetzt falsch versteht“, fügt Ty noch schnell hinzu und führt aus: „Nicht, dass ich meine Live-Auftritte nicht genossen hätte, hier, in Frankreich und überall, wo ich war. Ich liebe es, live aufzutreten! Ich konnte das nur schon länger nicht mehr machen, so einfach ist das. Dinge sind halt einfach nicht passiert, ich glaube, das kennt jeder, dass sich die richtigen Punkte manchmal nicht miteinander verbinden lassen… es gab sonst keine anderen Gründe.“

Aktuelles Album: Ty – A Work Of Heart (Jazz Re:freshed/Groove Attac

Vielleicht hat gerade diese lange Periode dazu geführt, dass „A Work Of Heart“, übrigens auch als edle Doppel-Vinyl-Variante erhältlich, so viel Seele und großartige Handwerkskunst mit sich führt. Ty: „Ich wusste bei jedem der Songs des Albums nicht, was passieren würde. Ich machte Beats für fast alle Songs des Albums. Ich wartete dabei auf das richtige Signal, auf das richtige Gefühl, die richtige Stimmung, das Gefühl dafür, dass dieser ein Liebes-Song wird, jener ein harter Song, ein anderer ist pure Information, der nächste erzählt eine Geschichte, und so weiter. Wenn ich dann weiß, was ich will, beginne ich, mit anderen daran zu arbeiten, die Arbeit aufzufrischen. Es geht darum, den richtigen Song mit dem richtigen Stück Musik zu verbinden.“

Albumgäste sind bei Tys neuem Longplayer dabei Genreüblich so selbstverständlich wie seine selbstbewusste, latent angriffslustige, abgeklärte Rapper-Attitüde und reicht von, unter anderem, Durrty Goodz alias Roots, Lasharvu und Wayne Francis über Randolph Matthews, Ladonna Herley-Peters und Philip Harper bis zu Umar Bin Hassan von The Last Poets oder den samtenen Soul-Stimmen von Julie Dexter und Deborah Jordan (einmal mehr: der SOUL TRAIN berichtete über alle genannten).

Wie funktionierten diese Kollaborationen im Studio, gerade, wo Ty doch so selbstbewusst darauf besteht, dass wie bereits erwähnt „jeder, der beim Album mitmacht, genauso wichtig ist wie jeder andere“? Ty klärt auf: „Wir hatten grundsätzlich, sofern möglich, immer nur einen einzigen Gast im Studio. Wir hatten zum Beispiel Jason Yarde, Julie Dexter, wen auch immer, vor Ort, aber eben immer individuell, einzeln. Ich sitze also vor Ort mit meinem Co-Produzenten Drew Horley, mit dem ich ständig Musik mache, und, was die Menschen nicht immer sofort wissen, mache die Arbeit, und er hilft mir, sie in Form zu bringen, er arbeitet mir zu. Die Menschen glauben immer wieder, dass er die Musik gemacht hat und ich nur rappe. Ich entscheide also selbst, was wir gerade brauchen. Brauchen wir Streicher oder ein Cello, brauchen wir eine Mundharmonika…?! Was auch immer es ist, ich organisiere es, ich buche das Studio und alle kommen. Ich kontrolliere sozusagen den Traum, ich habe eine Idee und bin sehr strukturiert, und weiß, was ich will und wen ich dafür haben will. Wenn ich mir jemand anderen ins Studio hole, möchte ich mir aber nicht einfach alles mögliche anhören. Ich führe jede Person, egal ob es die Vocals sind, die Instrumente, Perkussion und das alles, um zu bekommen, was ich brauche, und so machen wir, Drew (Horley) und ich, das. Ich liebe es, im Studio zu sein!“

Ty

Natürlich muss alles einem roten Faden folgen, so dass das Ende, ganz, wie es „A Work Of Heart“ tut, das fertige Werk einer gemeinsamen Richtung folgt, welche Künstler, die Musiker, die Gäste, die Seele, die Arbeit an einem Strang ziehen lässt. Ty: „Ich lasse immer die Songs die Geschichte erzählen, die Songs sagen mir, was wie passiert. Der Albumtitel „A Work Of Heart“ ist sehr nahe daran, zu erklären, was die Songs bedeuten. Die Songs bedeuten, dass alles, was zwischen 2012 und 2018 in meinem Leben passiert ist, darin zu finden ist. Es ist eine Momentaufnahme von dem, was ich gemacht habe und mache, mit meiner Musik. Jeder liebt es, an irgendetwas zu arbeiten. Diese, aber auch andere Songs vereinen, welche Arbeit ich liebe und dann habe ich entschieden, welche Songs gut zusammenarbeiten. In mindestens sechs der Songs des Albums ist beispielsweise ein Cembalo zu hören, das echte Instrument! Wir haben extra dafür ein Studio gebucht, das ein Cembalo hatte, nur, um es aufzunehmen. Das haben wir dann mit den Songs vermischt, sodass viele der Songs irgendwie ein gleiches Instrument aufweisen, aber eben auf ganz verschiedene Art und Weise. Ganz so, als wenn man ein Jazz-Album, ein Jazz Fusion-Album, zum Beispiel von Dave Brubeck, oder Jeff Lorber (der SOUL TRAIN berichtete zigfach über beide, Anm. d. Verf.) hört und das Cover umdreht, und feststellt, dass das Album von bla bla bla produziert wurde und so weiter – diese Art Album wollte ich schaffen, diese Art, Musik anzugehen.“

Kein Wunder, dass Ty damit auch beim Jazz angelangt ist, sein neues Album genauer zu definieren, ist „A Work Of Heart“ ist schließlich auch ein Album, dass auf einem Jazz-Label, Jazz re:freshed, erschienen ist. Ty dazu: „Jazz re:freshed ist ein vollkommen neues, innovatives Label, dass eine Menge unverbrauchte, neue Künstler unter Vertrag hat, Leute aus England, die ganz neue, andersartige Musik machen und mein Album ist das erste Hip Hop-Album, dass sie herausbringen, denn sie verstehen die Zusammenhänge zwischen all den anderen Sachen, zwischen all den Stilen. Es ist nicht nur einfach ein kleines Hinterzimmer-Label, dass seit Jahren Hip Hop veröffentlicht. Es ist ein Label, das wirkliches, echtes Interesse daran hat, großartige Musik herauszubringen. Deshalb bin ich der Partner von Jazz re:freshed.“

Ty – Brixton Soul Evolution

Zugleich nutzt sein neues Set eben jene Jazz-Ästhetik und sogar und immer wieder Bausteine aus jenem Jazz, seine eigene Klangfarbe auszuspielen, parallel dazu kommt trotz aller inkludierten Musikgenres von Hip Hop zu Soul und Funk bis eben zu Jazz immer wieder das Hauptgefühl, das Gefühl von Soul-Musik als Albumdefinierendes Urgestein durch, wie Ty En Detail erklärt: „Ja, das mag ich, das macht eine Menge Sinn, denn für mich ist Soul-Musik nicht nur einfach Soul und R’n’B. Für mich ist Soul-Musik der Effekt, dass man fühlt, dass der Musiker, dem man gerade lauscht, einem etwas von sich selbst gegeben hat. Soul-Musik wie ich sie genieße, nimmt mich mit auf eine Reise, an einen anderen Ort, und genau das haben wir versucht, einzufangen.“

Ty, geboren als Sohn nigerianischer Eltern im Schmelztiegel London, genauer gesagt im angesagten Stadtteil Brixton (die dem neuen Album mitgelieferte Presseinfo nennt Ty voller Respekt sogar den „wahren Bürgermeister von Brixton“), ist vielleicht auch wegen diesem multikulturellem Background jener geniale Zugang zum Hip Hop in der Art und Weise, wie er ihn mittlerweile ein halbes Jahrhundert lang macht, in die Wiege gelegt worden. Ty: „Der Einfluss meiner Eltern ist ebenso wichtig wie der Einfluss meiner Schullehrer oder sogar der Polizei, den Medien… Da ich ein afrikanisches Kind bin, welches in Europa aufgewachsen ist, bin ich ein europäisch-afrikanisches Kind. Es ist also eine andere Philosophie – der Einfluss meiner Eltern war folgerichtig nicht der einzige Einfluss, der mitentscheidet, wie ich Musik mache, oder was für Musik ich mache. Der Grund, warum man in Zusammenhang mit mir immer wieder von Brixton die Rede ist, hat sicher was damit zu tun, dass ich mein ehemaliges Herzblutviertel meiner Sturm- und Drangzeit feiern möchte! Amerikaner feiern gerne ihr „Brooklyn“, aber niemand ruft „Paris, Paris!“, oder so (lacht). Ich wollte all dem nicht folgen, denn ich bin es leid, den amerikanischen Formaten, wie sie Hip Hop machen und feiern, zu folgen. Ich wollte also „mein“ Brixton feiern, wobei es klar nicht darum geht, zu sagen, dass meine Gegend besser als deine ist. Es geht eher darum, Neugierige sozusagen virtuell, musikalisch durch Brixton zu führen. Es geht darum zu feiern, woher du kommst!“

Ty – Brixton Soul Evolution (Aktuelles Album: Ty – A Work Of Heart (Jazz Re:freshed/Groove Attack))

Ty gehört heute, spätestens aber mit dem neuen Ding „A Work Of Heart“, übrigens und eine Frage der Ehre, aus eigener Feder (gemeinsam mit Album-Co-Produzent Drew Horley), wie ein Fundament zur britischen Musikkultur und ist fraglos eine Galionsfigur britischen Hip Hops, einer Genreblüte, die zum Glück und zu Recht hoch verehrt wird und damit die schiere Quantität, die Masse an amerikanischem Hip Hop, durch Qualität wieder ausgleicht, ist doch Hip Hop von unseren britischen Nachbarn ob mit oder ohne Brexit, nachwievor eine eher seltener ausgeführte Art und Weise, sich musikalisch auszudrücken; Musik eben, der man ihr emotionales Anliegen in jedem Takt anhört, geschehen nun wieder und endlich mit Ty und seinem phänomenalen, vielschichtigen und cleveren „A Work Of Heart“-Album – intelligenter klang Hip Hop auch in über vier Dekaden Rap-History selten.

„Es wird nicht noch einmal so viele Jahre dauern, bis ich ein neues Album veröffentliche!“ beschließt Ty (der, nebenbei erwähnt, bereits am nächsten Album arbeitet) den facettenreichen Dialog mit Deutschlands Soul-Musik-Magazin Nummer 1 – dem SOUL TRAIN @ soultrainonline.de – und verspricht: „Ich werde von jetzt ab wesentlich mehr Musik machen!“ Wir freuen uns drauf!

© DJ Dare

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